Die Mama die ich nie sein wollte
Ich saß mit meiner Freundin beim Mittagessen in einem trendigen Restaurant in Innsbruck. Die Lounge-musik, die tolle Atmosphäre, die moderne Einrichtung, jedes Detail wird dort liebevoll und mit Stil in Szene gesetzt. Wir saßen unter einem strahlenden Kronleuchter der das Licht auf unseren, mit Vorspeisen gedeckten und mit wunderbar dekorierten Blumen, warf. Ich war hochschwanger. Wir hatten unsere wunderbaren Gespräche über alles was uns als Menschen bewegt. Wir haben es mal geschafft 24 Stunden nur zu reden. Wir hatten unsere tollen neuen Klamotten an, wir trugen funkelnde Ohrringe, wir fühlten uns fabelhaft. Kichernd und entspannt planten wir wo wir danach noch hin gehen. Meine kleine niedliche schwarze Fendi Handtasche hing an meinem Stuhl, meine Haare lagen leicht gewellt auf meinen Schultern, eine graue Bluse und meine geliebte Perlenkette überwarfen meinen Babybauch. Am Nebentisch saß eine kleine Familie, besser gesagt nur einer davon. Sie, die Mama, war eigentlich nur damit beschäftigt sich um das kleine weinende Baby zu kümmern. Er saß da und schaufelte so schnell es ihm möglich war seine teuren Spaghetti rein, nachdem er fertig war, kam sie. Sie trug kurzes Haar, die Farbe war ausgeblichen. Sie war ungeschminkt, sie sah müde aus. Sie war nicht diese glückliche Mutter so wie ich es mir damals ausmalte. Sie setzte sich und er nahm das Baby. Nun schlang sie das unfassbar gute Essen runter, ich habe mich danach gefragt ob sie überhaupt wusste was sie da gegessen hatte. Meine Freundin sah meine Augen, sie sah was ich in dem Moment fühlte. Es war die pure Angst die mich verschlang. Das Paar wechselte fast kein Wort miteinander, es gab nur das Baby. Das kleine Würmchen schaffte es in dem Moment zwei Erwachsene Menschen fertig zu machen. Meine Freundin flüsterte mir ins Ohr: „mach dir keine Sorgen mein Schatz, das wird bei euch bestimmt ganz anders.“ Ich drehte mich mit großen Augen und starrem Blick zu ihr und sagte: „Süße, du kennst mich besser als jeder andere, versprich mir dass du mir sagst, wenn ich so werde.“ Okay klingt für andere vielleicht oberflächlich, aber JA man ist wie man ist. Ich liebe Mode, ich liebe Nagellack, ich liebe den Geruch von Parfum, ich liebe mein kleines Täschchen, ich bin eine Frau und ich will es sein. Der Tag der Geburt! Nein, es kommt jetzt kein Geburtsbericht, denn darum geht es hier nicht. Es geht darum dass sich von einem Tag auf den anderen mein Leben komplett veränderte. Im Krankenhaus lief vieles nicht so wie ich es mir vorgestellt hatte. Es war alles viel, zu viel. Bevor mein Kind auf die Welt kam, habe ich selbst den Tag gestaltet. Tja, dann nicht mehr. Die Nächte waren sehr kurz, ich habe 24 Stunden lang jeweils alle 90 Minuten gestillt. Unsere kleine Maus wog nur 2270g, also könnt ihr euch vorstellen was sie für einen Milchbedarf hatte. Ich habe das lange durchgezogen, denn mir war es unglaublich wichtig zu stillen. Leider wurde ich die ersten zehn Wochen nach der Geburt von den Schmerzen des Notkaiserschnittes geplagt. Wie soll ich sagen, ich stehe meinem Körper sehr nahe und der Schnitt nahm mich einfach mit, nicht wegen der Narbe, diese trage ich mit Stolz und bin auch unglaublich dankbar dass es diesen Eingriff gibt, denn sonst hätten wir unser fantastisches Kind nicht. Ich hatte einfach keine Möglichkeit mich damit auseinander zu setzen und war überrollt und platt von diesen Schmerzen. Olivia kam am 25.8.2016 auf die Welt, am 11.9.2016 begann das Abendstudium von meinem Mann. Bevor er sich für das Studium anmeldete fragte er mich: „schaffst du das? Mein kleines verträumtes Mäuschen.“ Ich lachte nur und beugte mich mit meiner riesigen Kugel zu ihm vor: „ja klar, ha ha ha bin ja eh den ganzen Tag zu Hause, wie schwer kann das schon sein?!“ Der Hammer oder? Wenn ich gewusst hätte! Meine Olivia, und ich wir waren auf uns alleine gestellt. Wir haben eine Oma einen Opa, Tante und so weiter, aber alle voll berufstätig. Unser Haus war noch nicht ganz fertig und meine Schwester begann gerade mit ihrem Hausbau……..was für ein Timing oder? Ich würde sagen, wir sind da richtig blauäugig in die Sache rein. Die ersten fünf Monate war ich eigentlich nur damit beschäftigt alle 90 Minuten zu stillen und Windeln zu wechseln, zusätzlich wollte die kleine Maus nicht eine Minute alleine schlafen. Wenn ich unter die Dusche wollte kam mein Mann nach fünf Minuten mit einem weinenden Baby an und fauchte panisch: „sie hat schon wieder Hunger komm aus der Dusche raus!“ Da waren wir nun, die Frau mit dem Nachwuchs, der mehr einem fettigen Haufen gleichte, als Haaren. Der Mann der nur noch arbeitete und lernte. Wir wurden zu dem Paar aus dem Restaurant.
„mach dir keine Sorgen mein Schatz, das wird bei euch bestimmt ganz anders.“
Mein Mann wurde für die erste Zeit aus dem Schlafzimmer verbannt, da er 16 Stunden Tage hatte. Ich schlief manchmal keine Stunde am Stück. Ich war müde, ich war ausgelaugt. Ich sah mein kleines Täschchen im Schrank und fing an zu weinen. Hannah, wo bist du? Du starke ausgeglichene Frau. Nach ca. sechs Monaten fingen sich die Berge an Windeln, die Berge an ungewaschener Wäsche zu lichten. Ich kam langsam zurück. Ich fing an mir wieder Ohrringe rein zu geben. Die langen Spaziergänge, die Meilensteine die ich mit meiner Tochter erleben durfte und darf, die Nächte die langsam ruhiger wurden, gaben mir Kraft. Die Rolle Mama, sie gefiel mir. In die neue Rolle musste ich mich reinfinden, die „neue Hannah“ wurde mit meiner Olivia geboren. Zwei Jahre gibt es mich nun, gibt es uns. Jeden Freitag, gehe ich mit meinem wunderbaren Mann aus, denn auch wir als Paar mussten uns wieder finden. Wir haben uns weiterentwickelt. Mittlerweile sind wir ein unschlagbares Team geworden. All die Schwächen die ich am Anfang hatte, hat die „alte Hannah“ zu Nichte gemacht. Man könnte sagen es gibt weder eine „Neue“ noch eine „Alte“ es gibt nur die „Eine“ und die ist durch und durch Mama. Eine die es liebt mit einer Perlenkette und offenem leicht gewelltem Haar am Spielplatz zu stehen. Der es egal ist was andere denken, die weint weil ihr die kleine Olivia so unglaublich einzigartige Momente schenkt. Die es liebt Zeit mit ihrem Kind zu verbringen, es aber auch liebt ab und an ihr kleines schwarzes Täschchen auszuführen. An jede Mama da draußen! Erfindet euch neu, aber verliert euch nie!
Eure HannahMama